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ANGIZIA LYRICS

39 Jahre Für den Leierkastenmann

"39 Jahre Für den Leierkastenmann" (2001)

1. Eroffnung
2. Mein Jahr In Lemberg 1911
3. Mehmet Und Die Zirkusstadt
4. Zinnsoldaten Und Kanonen 1917
5. Anastasia Spennocchi 1920
6. Der Wein Der Lumpensammler 1923
7. Lied Fur Die Armut Anderer Leute
8. Judenkinder Oder Die Komodie Leute
9. Die Zinnoberrote Marionette
10. Understadt-Oberstadt-Zirkussadt
11. Die Linke Hand Des Musikanten
12. Komik Und Elegische Momente
13. Blumen Von Tschandravatii 1938
14. Eine Ungelebte Stunde 1941
15. Ithzak Kaufmann Und Das Bindfadencello
16. Der Lustige Tote
17. Epilog Aus Der Judengruft
18. Mein Letztes Stuck







1. Eroffnung

DIE ERÖFFNUNG

ELIAS HOHLBERG

Es glich einer Gruft,
die die Tore verschloss,
kein Mensch, dem ein Laut nur gelang...
Es gab uns dann diese Sicherheit,
den Mut von vorneherein...

Sie schliefen doch,
die ganze Stadt war müde von der Zeit...
Wir ruhen nicht,
wenn das Licht auch zerbricht,
wenn der Abend uns befreit...




2. Mein Jahr In Lemberg 1911

MEIN JAHR IN LEMBERG, 1911

ELIAS HOHLBERG

Mutter! Mutter? Bin ich denn ein Kind von hier?
Ein Strolch bin ich, der dreht an seiner Leier.
Ein Judenbub, besessen gar von Seltsamkeit und Posse.
Hör an mein Leid, es quält mich bitter...

ELIAS HOHLBERG, 17. MÄRZ 1911

Ich schlief und erbat,
dass die Welt mich versteht,
dass ein jüdischer Traum
keine Sünde gesteht.
Ich sann nach dem Spiel
mit dem Kasten, mein Freund.
Ich drehte die Leier
mit Herz und mit Leid!

CHOR

Spielt auf, ihr Kinder der Lemberger Zeit,
meißelt den Klang, der die Juden befreit.
Spielt auf für die Zeit, die mein Leben begann!
Stimmt das Leben an!

ELIAS HOHLBERG

Ich trotzte das Leid mit kläglichem Klang,
nachts zogen schier Bögen die Geigen entlang.
Wir kratzten an Bünden, die sonst niemand fand,
wir machten Musik für das jüdische Land.

CHOR

Spielt auf, ihr Kinder der Lemberger Zeit,
meißelt den Klang, der die Juden befreit.
Spielt auf für die Zeit, die mein Leben begann!
Stimmt das Leben an!





ANNA HOHLBERG
(ZU REINUN PERLMANNS GEIGENSPIEL)

Hörst du die Geige,
er spielt sie so weich...
Sein Spiel ist famos
...und jüdisch zugleich.
Hörst du, Elias,
du spielst doch noch kaum,
hat dich der Kasten besiegt?

ELIAS’ BEKENNTNIS

Nein, ich spiele den Kasten mit Mut...
Was soll ich denn spielen?
Musik für die Ruh?

ERZÄHLER

Das ist die Geschichte einer mutigen Tat;
sie war eines Tages Elias’ Verrat.

ELIAS

Nein, Mutter, nein,
ich spiel’ für mein Herz,
mein Leben als Jude,
es kostet mich Schmerz...
Musik ist mein Glück...
und das ist, das ist mein!

ELIAS, REZITATION

Stört dich die Trauer, der elende Ton,
die Schöpfung der Geigen, das Kratzen,
mein Sohn?

ERZÄHLER

Elias war mutig, denn es klopfte sein Traum,
als wollt’ er besessen in sein Inneres schauen.

ELIAS

Nein, Mutter, nein,
ich dreh’ doch den Kasten,
wem stört dieser Klang?
Was kratzt schon ein Bogen
die Geige entlang?

Was kratzt mich dieser Ton?

ANNA HOHLBERG

Elias, dein Traum ist reich,
so mutig, doch klein...
denn du träumst,
denn du lebst zum Schein!

ANNA HOHLBERG
MARKUS HOHLBERG

Elias, wach auf, du lebst einen Traum!

ELIAS

Das ist mein Traum von Tönen und Klängen
der fidelen Art...Das ist mehr als ein Traum!

ERZÄHLER

Sie hören eine Geschichte,
die das Leben bezwang.
Sie glich einer Rüge
für den jüdischen Mann!



ANNA HOHLBERG

Wach auf, ehe du schläfst,
denn dein Traum ist voll Neid.
Wach auf, ehe du weißt,
dass ein Traumbild dich teilt!

ELIAS

Was stört euch am Träumen?
Was soll mir der Kasten...
am Leben versäumen?
Was nimmt’s denn an Zeit?

ELIAS’ MUTTER

Wach auf, ehe du schläfst,
denn dein Traum ist voll Leid
Wach auf, ehe du glaubst,
dass dein Kasten dich braucht!

ELIAS

Was stört euch am Träumen?
Was soll mir der Kasten...
am Leben versäumen?
Wie bringt er mir Leid?

ELIAS’ MUTTER

Wach auf, ehe du schläfst,
denn dein Traum ist voll Neid.
Wach auf, ehe du weißt,
dass ein Traumbild dich teilt!

ELIAS

Was stört euch am Träumen?
Was soll mir der Kasten...
am Leben versäumen?
Wie bringt er mir Leid?




3. Mehmet Und Die Zirkusstadt

MEHMET UND DIE ZIRKUSSTADT

ERZÄHLER

Der Mehmet war von Süße,
er lebte den Humor...

JOHANNES ZETTERBERG

Der Mehmet war von Süße,
er lebte den Humor,
erträumte sich die Zirkusstadt
und hobelte die Puppen glatt.

JUDENKINDER

Marionetten ward geboren,
von Mehmet auserkoren...
und betet nicht, und flehet nicht...
doch hüpft und tanzt und singt.






ERZÄHLER

Er war ein Jude von der Straße,
und er liebte die Moral,
er gab den Klötzen Leben...
und lachte gar für sie.

Der Mehmet war von Güte,
er lebte den Humor,
erträumte sich die Puppenstadt
und hoffte, dass er Gutes tat...


JOHANNES ZETTERBERG

Die Puppen waren sein Leben,
der Zirkus eine Farce,
das Zelt ein müdes Transparent,
doch Leben?
Welch Leben war’s?

JUDENKINDER

Marionetten ward geboren,
von Mehmet auserkoren...
und betet nicht, und flehet nicht...
doch hüpft und tanzt und singt.

Marionetten ward geboren,
von Mehmet auserkoren...
und betet nicht, und flehet nicht...
doch hüpft und tanzt und singt.
So hüpft, tanzt...und singt.




4. Zinnsoldaten Und Kanonen 1917

ZINNSOLDATEN UND KANONEN, 1917

ELIAS HOHLBERG

Ein Zinnsoldat mit Schild und Helm
war kühn wie ein Pirat...

SCHLACHT UM LEMBERG

Er glich dem Krieger Drosselbart
mit seinem Schießgewehr.
Er klopfte auf den Knochen hart
und war ein feiner Herr.

JUDENKINDER

Er stand den Manne kühn und trunken,
(ach) bohrte Lanzen durch Halunken,
er stob mit Schwertern und Kanonen,
als wollt’ er seine Juden lohnen.

HOHN UND SPOTT

Du, mein Zwerg, willst Krieger sein,
am Schlachtfeld ganz allein?
Du torkelst, bleich, wie fett ein Schwein,
und wirfst ...mit einem Stein?

SCHLACHT UM LEMBERG

Er rührte von der Puppenstadt
und schlauchte die Gefahr.
Er tat was eine Puppe tat
und kämpfte ohne Schar.







JUDENKINDER

Er stand den Manne kühn und trunken,
(ach) bohrte Lanzen durch Halunken,
er stob mit Schwertern und Kanonen,
als wollt’ er seine Juden lohnen.

JUDENKINDER

Das Spiel war fein, „Soldatensein!“
gen Schuft und Schurke ganz allein!

ELIAS HOHLBERG

Er schlich bedacht in den leeren Schacht
und spähte auf die Schurken.
Er hob die Lanze hoch in Acht
und pfählte sie wie Gurken.

„FEIGER“ KRIEGER

Du kleiner Zinnsoldat,
du wagst eine freche Lippe;
dein Mut ist...ha! (Gelächter!)
eine Schmach
für meine Ritter!

JUDENKINDER

Er zog in Bann
wie ein Edelmann,
er war unser Puppenritter.

Links, zwo, drei, vier!

Er stob als Mann
wie nur er es kann
durch ein Heer der Schnauzbartmannen!

Links, zwo, drei, vier!

Er tat in Acht,
was man so nicht macht
und hievte seine Banner.

ELIAS HOHLBERG

Du, mein Zwerg, wirst Sieger sein,
am Schlachtfeld ganz allein?
Du tänzelst, schlau, wie Licht zum Schein,
und kämpfst...mit einem Stein?

SCHLACHT UM LEMBERG

Er rührte von der Puppenstadt
und schlauchte die Gefahr.
Er tat was eine Puppe tat
und kämpfte ohne Schar.

JUDENKINDER

Er stand den Manne kühn und trunken,
(ach) bohrte Lanzen durch Halunken,
er stob mit Schwertern und Kanonen,
als wollt’ er seine Juden lohnen.




5. Anastasia Spennocchi 1920

ANASTASIA SPENNOCCHI, 1920


ANASTASIA SPENNOCCHI

Herbei, mein Schinder,
von Komik verzärteltes Ding.
Es harrt nun...der kühle Moment,
ein Quäntchen an Sühne:
Der gaukelnde Jude betritt meine Bühne.

Er tritt vor den Richter, der fidele Bube,
beschaut meinen Buckel (Welch Stille? Welch Ruhe?)
und sicher, gewiss, bin ich froh, ihn zu sehen.

ELIAS HOHLBERG

Sah ich’s, sah wie Schnee den Leib
mit weißem Loden schnürt,
im Lehnstuhl wich ihr Geist
dem eklatanten Schimmer...

Stück für Stück
ihr Leid auf Erden war unfein gewiss,
ihr Leben sprach gelinde...vom Wohnort,
einem Stall...

ELIAS HOHLBERG

Mein Ekel vor dir
war dreist und befangen [befangen!]
ich stand da am Hof
und kränkte dich bange [bange!]

Wir übten Gelächter,
beschmutzten dich leidig, [leidig!]
wir droschen mit Freud
dich Krüppel zum Feind!

KRÜPPEL SPENNOCCHI

Mutlos Gesindel, gereiztes Reptil,
komm, mach mich zum Krüppel,
der müde und bang fleht:

„Stört dich mein abscheulich Blick,
verfemt er wich dem Bild von Glanz...
Liebreiz und Anmut mieden mich ganz.

So blieb ich grässlich für mein Leben,
blieb Gebein, nicht der Rubin,
der funkelt und glimmert wie Licht in beschien.

Tot ich glich der euren Geisel,
Höllisch, war ich Krüppel schön,
müd’ nur vom Zunder, dem qualvoll Gestöhn!“

ANASTASIA SPENNOCCHI

Ich nannte es Leben, weil ich Euch die Geisel war,
hier bin ich Mensch aus dem Euren Land...
Mit frechen Gesichtern, mit Stock, Stein, in Schar
ihr Juden aus Lemberg ward Qual meines Lebens
bizarr...

ENGELSCHOR

Sie war dieser Engel, der lebendig war...
A-n-a-s-t-a-s-i-a

ANASTASIA SPENNOCCHI

Ich flieg nicht als Engel,
doch war ich nicht Mensch,
ich brauch keine Flügel,
bin endlich ich selbst.

Ein Engel ist bieder und selten benannt (so...)
nannt’ ich mich nur „den Krüppel“,
der dich nicht verstand...
Ich mochte mein Leben,
doch litt ich im Zwang,
ganz blau war mein Buckel,
von Schlägen verkannt...

So blieb ich in Hoffnung,
dass Schönheit nun langt!
...dann stand ich in Loden geschnürt
...und verdammt!

Stand...ja stand...in einem weißen Kleid...?
Geschlagen...zerhauen...gewalkt bis zur Pein...
...belogen und betrogen...mit Stock und mit Stein...
...mit Stock und mit Stein...mit Stock und mit Stein...

ANASTASIA SPENNOCCHI

Ich nannte es Leben, weil ich Euch die Geisel war,
hier bin ich Mensch aus dem Euren Land...
Mit frechen Gesichtern, mit Stock, Stein, in Schar
ihr Juden aus Lemberg ward Qual meines Lebens
bizarr...

ELIAS HOHLBERG

Vergib’ mir beim Leben im holden Gewand,
ich war doch nur Bengel, der dich nicht verstand...
Verzeih’ meine Dummheit, sie hat mich besiegt,
mein Leben hieß „Hoffnung für Juden im Krieg!“

ANASTASIA SPENNOCCHI

Ich fiel von dem Zweiglein des jüdischen Baums,
konnt’s länger nicht tragen das bucklige Ding...
Ist gut Bub, halt fest nun den unseren Stamm,
so spiel für die Juden im russischen Land...

KRÜPPEL SPENNOCCHI

Was schlugt ihr mich mit Ästen,
Was ward ihr bockig und gemein,
prasst keck und dreist mit großen!?

ELIAS HOHLBERG

Wir Juden sind Menschen
mit Herz und Verstand!
Ich liebe mein Leben,
die Tugend, mein Land...

Auch ich schlug im Irrtum
den eigenen Mann,
doch seht bloß wie schön
auch ein Krüppel sein kann...




6. Der Wein Der Lumpensammler 1923

DER WEIN DER LUMPENSAMMLER, 1923

ELIAS HOHLBERG

Hier ist die Rebe, Musikant,
hier ist dein Wein.
Süffle vom Philistertrank,
die Pulle ist nun Dein.

Tränke deine Sorgen, Weib,
den Hader, die Pein.
Schenke den Philistertrank,
in deine Venen ein.
Wir spielen für die Judenstadt,
das Leben, es ist fein...
Ein Hoch dem kleinen Bettelmann,
fidel darf er sein!

ELIAS HOHLBERG

Der Wein ist eine Gabe,
die den Reichen wohl gefällt.
Doch heute, liebe Freunde,
ist er Armen schon bestellt.

Der Durst ist eine Plage,
die der „König“ nicht gern teilt.
Marod’ es tüncht die Traube,
im Sonnenlicht, im Schrein.

Der Wein ist mein Gefährte,
er ist reich und bunt und fein.
Er liegt in meinen Venen
wie im Zarenhof der Stein.

DIE LUMPENSAMMLER

Wir wollen Lumpensammler sein,
mit edlem Philisterwein.
Wir nennen ihn das Lebenspfand
und schenken uns die Hand.
Wir wollen Lumpensammler sein
mit edlem Philisterwein.
Wir nennen ihn das Lebenspfand
und schenken uns die Hand.

ELIAS HOHLBERG

Der Wein ist eine Gabe,
die der Reiche nicht gern teilt.
Kokett er raubt dem Bettler,
die Traube, reif und klein.

Der Wein ist dein Gefährte,
er ist reich und bunt und fein.
Er liegt in deinen Venen
wie im Zarenhof der Stein.

DIE LUMPENSAMMLER

Wir wollen Lumpensammler sein,
mit edlem Philisterwein.
Wir nennen ihn das Lebenspfand,
und schenken uns die Hand.
Wir wollen Lumpensammler sein,
mit edlem Philisterwein.
Wir nennen ihn das Lebenspfand,
und schenken uns die Hand.




7. Lied Fur Die Armut Anderer Leute

LIED FÜR DIE ARMUT ANDERER LEUTE

ELIAS HOHLBERG

Ein Lied ward geboren
für den Menschen von Hohn,
den Bettler, den Schnorrer,
den hungernden Sohn!

Ihr Armen herbei in die Stätte der Nacht,
wir plagen den Krösus in ärmlicher Tracht.

Gebt’ Mut dem Gedanken,
dem Leumund einer heiteren Zeit!
Zeigt Schneid für das Zanken,
den Wunsch nach fidelem Geleit!

AUFSTAND DER BETTLER

Die Bettler sind los...
...in der Stätte der Nacht!
Sie plagen den Krösus...
...in ärmlicher Tracht!

Herbei in mein Reich,
du torkelnder Mann.
Verlass’ deine „Leich’“
und schließe dich an!

Wir ziehen mit Anstand,
mit dir Hand in Hand,
(mit dir Hand in Hand!)

ERZÄHLER

Er gaukelt laut, er spielt famos.
Könnt ihr in alle sehen? Der Bettelmann ist los.
„Trotzt dem Kriege!“, motzt die Ziege, motzt die Reichen an.
„Frönt der Komik!“, tönt schon feurig, unser Bettelmann.

Ein Armer ist voll Komik,
er tänzelt schon und schreit:

AUFSTAND DER BETTLER

Die Bettler sind los...
...in der Stätte der Nacht!
Sie plagen den Krösus...
...in ärmlicher Tracht!

Tritt ein in mein Reich,
du kläglicher Mann.
Verlass’ deine „Leich’“
und schließe dich an!

Wir ziehen mit Anstand,
mit dir Hand in Hand,
(mit dir Hand in Hand!)

ERZÄHLER

Er gaukelt laut, er spielt famos.
Könnt ihr in alle sehen? Der Bettelmann ist los.
„Trotzt dem Kriege!“, motzt die Ziege, motzt die Reichen an.
„Frönt der Komik!“, tönt schon feurig, unser Bettelmann.

Ein Armer ist voll Komik,
er feiert nun den armen Mann...
...den armen Mann!




8. Judenkinder Oder Die Komodie Leute

JUDENKINDER ODER
DIE KOMÖDIE VOM KRIEG

JUDENKINDER

Wir liebten ein Land, das der Krieg nun verschlang
mit Helden und gellender Totschlägermacht.
Wir hassen die Willkür, die Bombe, den Zank,
wir Judenkinder lieben unser Land.

ELIAS HOHLBERG

Ach, schöner Heldentod,
oh, du wartest schon!
Ich winke kühn und tänzle bleich,
ich kecke Musikantenleich!?

JOHANNES ZETTERBERG

Sie tummeln sich aus der tödlichen Bahn,
verhalten den Schmerz und stellen den Mann.
Sie tänzelten müde den Leichen entlang,
und ächzten schläfrig (dann, dann):

„Ihr meuchelnden Helden im Totentanz,
ihr wütet mit tollen Gewehren.
Die ‘Meute’ seid ihr, sünd-feige Herren,
von schmählichem, kläglichem Stand.“

JUDENKINDER

Wir spielen und leiern, wir gaukeln und frieren,
wir ziehen durch dieses Geröll...
Wir fiedeln und tönen, wir kurbeln und geigen,
wir lieben das russische Land.“

Wir tadeln die Strenge, den „eifrigen“ Mann.
Wir mahnen des Kriegers Gelübt’...
Wir stelzen mit Freude durch schneeweißes Land
und kehren dann doch zurück.

Starker Mann mit dem Schießgewehr,
klopfe laut an unsrem Tore!
Mit hellem Ton, fast fragend schon,
trägst du zur Komödie bei.


JOHANNES ZETTERBERG

Der „Judenbund“ glich einer Trotznation,
einem Komikeid mit einem Launenlohn.
Die Judenbuben froren Wunden schon,
mit Drang zum Ton und ihren unvergessnen Liedern.

Der „Judenbund“ glich einer Trotznation,
einem Komikeid mit einem Launenlohn.
Die Judenbuben froren Wunden schon,
mit Drang zum Ton und ihren unvergessnen Liedern.




9. Die Zinnoberrote Marionette

DIE ZINNOBERROTE MARIONETTE

ELIAS HOHLBERG

Ah! Sie lebt - den Tanz einer kleinen Puppe.
Dreister kleiner Holzklotz! Sprich mit mir!
Dirigiere mich! Du traust dich doch oder?

ELIAS HOHLBERG

Der August war ein Eichenklotz, ein müder kleiner Klotz.
Ein stumpfer, toter, matter, bleicher, fahler kleiner Klotz.
Er wich dem Glanz, dem Raspeltanz, der Schnitzerbubenhand.
Er hing noch nicht an Fäden und mied den Puppenstand.

Der Mehmet schnitzte brav und fein den August aus dem Klotz.
Er schliff den edlen Körper und schnitt Kleider aus dem Stoff.
Er gab dem August Leben, er zog an seinen Fäden,
er lenkte ihn, er hegte ihn, er führte ihn zum Tanz.

ELIAS HOHLBERG

„Herbei mein Klotz, mein Puppenklotz, du rote Tanzfigur!
Du atmest schon, du tänzelst schon, du bettelst um Statur!“

Der August war voll Leben, er mühte seine Fäden,
er war ein Held, ein Kamerad, ein Kumpel in Statur!




10. Understadt-Oberstadt-Zirkussadt

UNTERSTADT-OBERSTADT-ZIRKUSSTADT
ERZÄHLER

Ein Clown als Herr der fidelen Welt
stand grämig in seinem Zelt...

Der Clown klagt an, denn wo bleibt der Mann,
der munter seiner Komik frönt.
Er grämt sich bang’, wenn ein froher Mann,
nicht heiter aus dem Zelte tönt:

DER CLOWN ALJOSCHA

Herein, arm Volk, die Zirkusstädter tanzen schon!
Herein, arm Volk, der Gaukler lässt euch euren Lohn!

DER CLOWN SERJOSCHA

So klatscht euch wund in der Zirkusstund’,
ja grient und lacht in den unsren Schacht.
DER CLOWN ALJOSCHA

Verschanzt euch nur, blasiert und stur.
verprasst das Geld hier im Zirkuszelt.

DER CLOWN SERJOSCHA

Schenk mein fein Herr nun dein Herz her!
Griene - Weine - Nimm das Meine!

DER CLOWN ALJOSCHA

Lach’ für diese Bettlernacht,
lach feig’ Hoheit, lach’ und lach’.
Klatsch’ in deine Hände sacht’,
denn, mein König: „Dies ist Macht!“

Zeig dich hier im Bettlertum,
lass dein Herz im Zelte ruhen.
Blech’ doch unsre Zirkuspacht,
denn, mein König: „Dies ist Macht!“

DER CLOWN SERJOSCHA

So klatscht euch wund in der Zirkusstund’,
ja grient und lacht in den unsren Schacht.

DER CLOWN ALJOSCHA

Verschanzt euch nur, blasiert und stur.
verprasst das Geld hier im Zirkuszelt.




11. Die Linke Hand Des Musikanten

DIE LINKE HAND DES MUSIKANTEN

REINUN PERLMANN

Ich, ich bitte dich Soldat...
so hack mir nicht die Hand vom Stamm,
die goldne Tatze, meinen Rang!
Sei stark und lausche fröhlich weiter,
diesen Tönen frech und heiter.
Bist schwach, wenn laut dein Führer tobt,
die holde Künstlerarmut lobt...
Ach, wenn du mordest ohne Ziel,
bis meiner kühnen Schöpfung munter
ein Stück Fleisch zu Boden fiel...

Welch kühne Tat?
Welch heller Geist?
Was für ein Held?

ERZÄHLER

Es schien sein Ton wie edler Wein
in Lemberg zu gedeihen
Famos war seine linke Hand,
der Klang, den sie erstand...

JOHANNES ZETTERBERG

Es roch...ein Stück Fleisch
ein toter, toter Mann...
Die Geige ist tot!?



AN DIE LEIDLICHE INSTANZ

Das ist mein Ruf nach holdem Ton,
nach Gunst der kühnen Gestalt.
Was niemand schuf und doch erklang,
das war das Ziel eines hellen Drangs.

Er ruht verhüllt, in sich vereint,
als Held der jüdischen Stadt.
Was niemand weiß und doch geschah,
das war der Tod seiner linken Hand.

JUDENKINDER

Das ist der Leichnam, den ihr habt’ belogen,
der König der Geigen, von „Helden“ betrogen...
Ihr wütet mit Händen der jüdischen Künstler,
doch nun lauscht und bangt, denn der König
wird wieder gedeihen!

AN DIE LEIDLICHE INSTANZ

Das ist mein Ruf nach grellem Ton,
der Zorn der jüdischen Kunst.
Mein Spiel ist rein, so soll es sein,
ja hämisch, zäh und für mich allein.

Er ruht verhüllt, in sich vereint,
als Held der jüdischen Stadt.
Was niemand weiß und doch geschah,
das war der Tod seiner linken Hand.

JUDENKINDER

Das ist der Leichnam, den ihr habt’ belogen,
der König der Geigen, von „Helden“ betrogen...
Ihr wütet mit Händen der jüdischen Künstler,
doch nun lauscht und bangt, denn der König
wird wieder gedeihen!

JUDENKINDER

Seht die Hand der Lebenden!
Seht das Leid der Kunst!

ELIAS HOHLBERG

Lernt vom Leid des Königs,
dass kein Toter ewig ruht,
dass Karma weiß, was Sünder gerne tun...
Nehmt des Künstlers Leben nicht in eure Hand,
bestraft nicht unsre Helden, unsren Stand!

JUDENKINDER

Das ist der Leichnam, den ihr habt’ belogen,
der König der Geigen, von „Helden“ betrogen...
Ihr wütet mit Händen der jüdischen Künstler,
doch nun lauscht und bangt, denn der König
wird wieder gedeihen!




12. Komik Und Elegische Momente

KOMIK UND ELEGISCHE MOMENTE

ELIAS HOHLBERG

Der Tod ist ein Gelächter,
denn das Leben ist bizarr.
Er pocht an roten Türen,
denn sein Richter ist ein Narr.

Komisch ist das Leben,
wenn es nicht mehr mit mir tanzt.
Plump scheint es zu geben,
was der Tod in uns verschanzt.

Lebt’ ich kühn wie ein heller Ton,
lebt’ ich wie ein kranker Mann...
lebt’ ich wie ein Bub vom Zarenlohn,
lebt’ ich wie nur ich es kann.

ERZÄHLER

Kühn blieb der Leierkastenmann,
komisch war sein Gesang.
Er drehte die Leier ohne Zwang,
er machte Humor zum Drang.

ELIAS HOHLBERG

Lebt’ ich wie ein Mann vom Zarenlohn,
lebt’ ich wie ein kranker Mann...
lebt’ ich (so) kühn wie ein heller Ton,
lebt’ ich wie nur ich es kann...

ERZÄHLER

Kühn blieb der Leierkastenmann,
komisch war sein Gesang.
Er drehte die Leier ohne Zwang,
er machte Humor zum Drang.

Kühn blieb der Leierkastenmann,
komisch war sein Gesang.
Er drehte die Leier ohne Zwang,
er machte Humor zum Drang.




13. Blumen Von Tschandravatii 1938

BLUMEN VON TSCHANDRAVATII, 1938

ELIAS HOHLBERG

Sie roch so nach Tod mit dem Duft,
mit Augen (Gebein!), so finster und leer.
Sie spielte die Geige zum Tanz,
Ein Kratzen am Bund,
ein (knochiger) Ton der verstummt...

Ihr Herz war bei mir und es schwankt,
ja schwankt in der Brust...nur zart
...hin und her...

DER LETZTE TANZ

Wir tanzten verlacht im Saal der Eheleut,
lieb war uns jeder Totentanz.
Ihr Bouquet blieb vor Reiz und vor Duft gefeit,
lachend verlebte sie den Glanz.
Es war unser allerletzter Tanz...
er war...schlicht famos.

ELIAS HOHLBERG

Sie tanzte im güldenen Glanz,
mit heiterer Mimik entspannt.
es fehlte das Schuhwerk ihr ganz,
das ärmliche Ding,
das indische Kind!

Ihr Herz war bei mir und es schwankt,
ja schwankt in der Brust...nur zart
hin und her

DER LETZTE TANZ

Wir tanzten verlacht im Saal der Eheleut,
lieb war uns jeder Totentanz.
Ihr Bouquet blieb vor Reiz und vor Duft gefeit,
lachend verlebte sie den Glanz.
Es war unser allerletzter Tanz...
er war...schlicht famos.




14. Eine Ungelebte Stunde 1941

EINE UNGELEBTE STUNDE, 1941

ELIAS HOHLBERG

Mein Geist sühnt mein Leben,
er wundet auf der Suche nach dem Sinn...

Mein Boot („Sarkophag!“)
seine Anker hat gelichtet,
frei und famos,
mit ‘ner Leiche in der Mitte.
Ach Hohlberg, armer Jude,
schon im Äther dunstverhangen
...bist du tot!?

Bist du tot?

RUSSISCHER SÄUFER

Wertes Volk einer zynischen Zeit.
wir betten ein diesen Herrn
in die Stätte des Leibs!

ELIAS HOHLBERG

Ich habe Angst, hörst du, Angst!
Fast könnt’ der Tod am Leben sein...

HOHLBERGS GEWISSEN

Ist nicht der Ton, der Ton,
schon deinem schwarzen Gifte gleich?

Du bleichst in Deinem Bette...
Du...Du frierst in Deinem Teich!
Wer kratzt am Geigenbund?
Wer lauscht da dem Gesang?
Ach, der Tod ist fein...

ELIAS HOHLBERG

Es ist komisch,
jetzt schon tot zu sein...

Halt’ ein, halt’ ein...
Hörst Du, August, hörst du, nein?
Den Ton...
das, das muss die Geige sein...
...das muss die Geige sein!

ELIAS HOHLBERG

Der Tod ist der Lohn meines Lebens,
er ist das Gelächter zu unserem Tanz...
Er...er setzt den letzten Anker ein,
mit Liebe und Sühne der Leier zum Preis...
(Nein! Nein!)

Hier liegt ein jüdisches Leben,
mein Kamerad aus der Lemberger Zeit.
Er schläft mit seiner Puppe ein,
mit Liebe und Sühne der Leier zum Preis...

RUSSISCHER SÄUFER

Es starb in ein Boot eine jüdische Leich’,
so weinet und klaget doch schon!

ELIAS HOHLBERG

Ich süffle laut und trunken,
ich tränke mich am Blut.
Ein Käferlein ich aß zum Schein
was bleibt mir denn im Warten...
...auf den Tod!

RUSSISCHER SÄUFER

Na, na-na-na, na na-na-n-a!
Na, na-na-na, na na-na-n-a!



ELIAS HOHLBERG

Ein Säufer behende verblich noch am Sarg,
bring mir mein Jude die Schaufel ins Grab!

Wer sonst fand im Garten den billigen Tod?
Das indische Mädchen, entschlafen im Schoß...

Der Messbub verfehlte das richtige Grab,
so läutet die Glocke ein jüdischer Knab’!

Kopeken ich griff aus dem lustigen Sarg,
nimm es, die Reise wird von uns bezahlt!


ELIAS HOHLBERG
(PHYSISCH TOT)

...Mein Fleisch...ist...tot!
Ist tot!!??

Es ist fein, dass ich, kalt und bleich,
im Totenschein bin doch nicht Leich
in meinem Reich...
Bin stolz verreckt, verschanzt...




15. Ithzak Kaufmann Und Das Bindfadencello

ITHZAK KAUFMANN UND DAS
BINDFADENCELLO

ELIAS HOHLBERG

Wer hockt nun da vor meiner Leich’...
erfroren war ich, kreidebleich -
und klagt mit leidlich’ Instrument...
elend, wach und doch dezent...
auf flaschengrünen Fäden...
als könnten diese mit mir...reden...

ITHZAK KAUFMANN

Du bliebst in meinen Klängen,
ganz träge in der Stund,
wenn Kurbeln müde murmeln
tünch’ ich sie wund...

Ich zerre an den Flusen,
mit Händen aus Granit,
wo sonst nur ein Weib’
bös’ Laune erspinnt.

Was blieb, das war dein Phlegma,
es röchelt wie ein Hund,
es quält’ mir meine Stunde...
(vor Launen gefeit).

Ich spiele unsre Lieder,
beklage unsren Bund,
denn still und leis’ dein Anker
verhärtet die Stund.

ELIAS HOHLBERG

Ja, Ithzak, Kumpan...
was klagst du mir Tränen am Bette,
welch’ Wehmut du suchst!

Hab’ Dank für dein Lied,
es dröhnt hier mit bitterem Schmerz,
welch’ Hoffnung es sieht!

Du klopfst an mein Boot
und schaufelst mich frei aus der Kälte
...mit frierendem Ton!





ITHZAK KAUFMANN

Mein Freund, du schielst mit Glanz,
nach dieser Gier, mit dieser Sucht,
ein Leben zu rauben, es froh zu glauben!

ITHZAK KAUFMANN

Mein Freund, du bleibst im Bund,
in dieser Stund der traurig Kund’,
in diesem jüdischen Bündnis ein König!




16. Der Lustige Tote

DER LUSTIGE TOTE


ELIAS HOHLBERG
(ZU SEINER MARIONETTE AUGUST)

Ein Toter ist nicht tot!
Und weißt du noch...das Leben?

ELIAS HOHLBERG

Ich lebt’ mich tot und lachte laut,
das Leben ward ein reger Kumpel.
Leidig, zäh und müd’ und streng
es klopfte an mein Tod.

ELIAS HOHLBERG
(ZU SEINER MARIONETTE AUGUST)

Du wunderst Dich?
Ich kratze mich.
Ein Toter ist nicht tot!?

So soll es sein,
und ich allein,
bin heute richtig froh!

ELIAS HOHLBERG

Ich lacht’ mich tot, wie wunderbar,
ich seh’ mich gern als kokette Leiche.
Modrig, bleich und dürr und gar
ich hoffe auf mein End’...
(...auf mein End’?)




17. Epilog Aus Der Judengruft

EPILOG AUS DER JUDENGRUFT

ELIAS HOHLBERG

Ein Dolch, das ist ein Ding, das sticht...
Doch bringt ihr mich zu Tode nicht...
Hört lieber an, den heitren Ton,
der übrig blieb von meinem Lohn...

Der Kasten, den ich drehte,
und...der das eure Land belebte...
erfror marod’,
war nicht gleich tot,
in einem weißen Gärtchen dann,
wo jeder Ton nach Winter klang.

Ich weiß, dass kühn und trunken...
ich Mann der Komik war versunken,
in diese goldne Judengruft.
mit Erde reich an Leichenduft.

Ich schmunzle schon, und lache gleich,
was bin ich wert als Judenleich?

Ach...bin ich froh...
dass der Winter gar,
mein Mörder war,
und nicht ein Krieger aus dem Heer,
mit seinem tollen Schießgewehr!




So lauscht noch meinen Stücken...
Ja traut euch zu erquicken...
Denn wer in nahen Stunden wagt...
sich gar mit beiden Händen plagt,
den Deckel meiner Kiste zu verrücken,
den würde dann wohl kaum entzücken...
dass ich, Elias Hohlberg, dann...
die Kiste hier zur Leere zwang!




18. Mein Letztes Stuck

MEIN LETZTES STÜCK

ERZÄHLER

Und wenn Sie einmal
die Straßen dreister Musikanten queren,
lauschen Sie doch dem Gespielten
und werfen Sie eine Münze!

 


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